Vor zwei Jahren bereitete ich mich zu der Operation für
Defibrillator-Entfernung vor. Diese Operation wollte niemand auf sich nehmen.
Doktor Bushnaq (der Einzige, wer das auf sich nahm) hat gewarnt: es gibt zu
wenig Chancen, das Risiko lohnt sich nicht. Jeden Tag, jede Stunde ging mir
aber immer schlechter. Ich hatte keine Kräfte mehr. Mein Leben, das ich vor der
Krankheit führte, habe ich schon verloren, davon ist nur ein Schatten
geblieben. Und das passte mir nicht! Deshalb war mir nicht furchtbar zu riskieren.
Und ich habe alles ans Spiel gesetzt, wobei ich wusste, dass am wahrscheinlichsten
verliere. Vor zwei Jahren, am 7. Juli 2010 verabschiedete ich mich mit
Verwandten und Freunden und ging zur OP…
Aber alles ist gelungen! Ich habe ausgelebt! Mir ging es
immer besser. Nach zwei Monaten wurde noch eine Operation am Herzen gemacht.
Und im Oktober 2011 bin ich nach Hause zurückgekehrt. Zu den Freunden, zur
Arbeit. Alles sah so aus, dass das Schlimmste vorbei sei, dass ich mein Leben
wieder planen könne. Am 3. Dezember habe ich meinen 26. Geburtstag gefeiert.
Aber am 6. Dezember wurde bei einer geplanten
Untersuchung Katastrophe entdeckt. Und ich hatte keine Zeit, um das zu erfassen
und zu akzeptieren. Ich musste vorgehen! Nach zwei Wochen saß ich wieder bei
Professor Bushnaq. Er sagte wieder, dass es zu wenig Chancen gibt. Und ich
dachte wieder: wenn das Problem nicht gelöst wird, habe ich MEIN Leben nie
wieder, solches Leben, das ich mag. Und ich sagte wieder, dass ich das Risiko
akzeptiere. Am 31. Januar verabschiedete ich mich wieder mit meinen Lieblingen…
In die Narkose sinkend dachte ich, dass es meine letzten Sekunden seien…
Gott ist aber barmherzig. Es hat sich herausgefunden,
dass ich noch viele Sekunden vor mir habe, dass ich nach 1,5 Jahren MEIN Leben
doch zurück erobere. Und noch kommt Juni 2011 – ein fantastisches Gefühl des
Überwindens, während ich an der Kletterwand hänge. Und noch kommen drei Tage im
Jugendlager, und dort – Basketball, Trampolin und Vieles mehr, wovon ich früher
nicht träumen konnte. Und noch kommt Juli 2011 – die erste in meinem Leben
Reise in eine andere Stadt mit Freunden, nicht mit Eltern, die jede Sekunde
bereit sind, mich zu reanimieren. Während ich im Zug „Saporizhzhia-Kiew" mit
einem Menschen saß, der keine Reanimations-Maßnahmen führen kann, hatte ich
erstes Mal in mehreren Jahren keine Angst. Erstes Mal in mehreren Jahren dachte
ich nicht durch, was passiert, falls wieder Herzen-Arhythmie kommt. Dort, in
Kiew feiern wir den 7. Juli – einen Jahrestag seit der Operation für Defibrillator-Entfernung.
Wir – das sind ich und meine Freunde, ohne die diese Operation nicht gewesen
wäre, die diesen ganzen unendlichen Tag im Gebet für mich verbrachten. Und noch
kommen Reisen zum Strand und Schwimmen im Fluss. Und ein Laser-Tag (ein Spiel
wie Paintball in einem zerstörten Gebäude). Und die Arbeit – Routine gemischt
mit TV-Sendungen und öffentlichen Reden. Und noch eine Operation im September
2011, jetzt – am Knie. Und jetzt kann ich wieder nach 13 Jahren mehr als 50
Meter durchgehen und auf Treppen steigen. Und wieder der 3. Dezember – mein Geburtstag.
Und obwohl ich wegen der großen Belastung bei meiner Arbeit wenige Kräfte für
große Feier habe, bin ich glücklich! Weil wir mit gemeinsamen Bemühungen noch
einen 3. Dezember gewonnen haben! Weil ich lebe! Ich lebe so, wie ich will –
voll und aktiv! Und damals habe ich eine Wunschliste aufgeschrieben und mir
versprochen, regelmäßig einen der Wünsche zu erfüllen.
Jetzt steht „erledigt" neben folgenden Punkten: zum
Bowling gehen, ein Rock-Konzert meiner Lieblings-Band besuchen, barfüßig auf
dem Schnee gehen, Hamburg besuchen (die Stadt, wo meine Marina wohnt, meine
Managerin und Dolmetscherin) und natürlich Marina umarmen, mit der wir uns so
selten sehen… „Erledigt" steht sogar neben ganz verrückten Wünschen,wie eine Achterbahn-Fahrt, eine Fahrt auf dem Wasser-Hügel im Wasserpark,
Klettern im Hochseilpark, Fliegen. Und jetzt, während ich meine Fotos von
diesen „Heldentaten" sehe, denke ich daran, dass ich mir vor zwei Jahren sogar
in meinen wildesten Träumen so etwas nicht vorstellen konnte. Eigentlich konnte
ich gar nicht glauben, dass „in zwei Jahren" für mich kommt. Aber dank
Bemühungen der Ärzte und Gebeten meiner Verwandten und Freunde habe ich dieses
Geschenk gekriegt – zwei Jahre des Lebens. Nicht des langsamen Sterbens sondern
des fantastisch aktiven Lebens!
Ja, vor zwei Jahren habe ich stark riskiert. Ich habe
alles ans Spiel gesetzt. Aber… Zwei Jahre sind vergangen. Und jetzt sitze ich
in Kiew, im Zimmer von einem an meinem Herzen liegenden Menschen und
telefoniere mit meinen Eltern, die zu Hause in Saporizhzhia geblieben sind. Und
ich habe keine Angst, dass mein Leben sich in der nächsten Sekunde abbricht.
Und meine Eltern, die dort, 500 km von mir sind, haben auch keine Angst davor.
Keine Angst mehr… Und jetzt gehen wir Kerzen auf der Geburtstags-Torte ausblasen.
Weil heute, am 7. Juli einer der Lieblings-Menschen von mir Geburtstag hat. Vor
zwei Jahren wollte dieser Mensch sehr, dass meine Operation an seinem
Geburtstag stattfindet, und bat den Himmel nur um ein einziges Geschenk für
sich: die lebende Gavrysheva aus der OP! Und der Himmel hat dieses Gebet
gehört. Und jetzt feiern wir diesen Tag zusammen.
Außerdem schreibe ich eine neue Wunschliste mit genauso
verrückten Punkten. Außerdem plane ich meine Arbeit. Und auch meine Rehabilitation.
Ärztliche Bemühungen der letzten zwei Jahren haben mir nicht nur das Leben
geschenkt, sondern auch die Möglichkeit, für das bessere Leben zu kämpfen. Ich
lerne außer Zuhause gehen, auf Treppen steigen, viele andere Sachen machen, die
ich früher rein physikalisch nicht konnte.
Vor zwei Jahren, am 7. Juli 2010 hat ein Mensch, der mir
am Herzen liegt, die lebende Gavrysheva als Geburtstagsgeschenk bekommen. Vor
zwei Jahren habe ich das Leben als Geschenk bekommen. Diese zwei Jahre meines
Lebens sind einunschätzbares Gottesgeschenk, das für mich deutsche Ärzte
gewonnen haben. Dafür danke ich ihnen – für Kletterwand, Basketball, Schnee
unter meinen bloßen Füßen, Loop der Achterbahn, Spritzer vom Wasserpark,
schwindelerregende Abenteuer im Hochseilpark, Freiheit des Fliegens! Danke für
diese 731 Tage!!!