Als sie in mein Zimmer kam (klein, dünn, mit einem
riesigen Packet, in dem ihre selbstgebackene Torte lag), sah es so aus, ob als
das nicht unser erstes Treffen wäre, sondern zwei Freundinnen einander lange
nicht gesehen hätten. Die zwei Freundinnen, die einander ganzes Leben kennen!
Und erst abends, als Marischka und Mama in die Wohnung gingen, kamen mir
Erinnerungen.
Wir lernten uns so gegen März 2009 kennen. Etwas früher
als vor einem Jahr. Ein Brief von ihr darüber, dass das Geld an die Klinik
überwiesen wurde. Ich bekam damals ein paar Dutzende solche Briefe. Livejournal
mari1261 – damals habe ich sogar nicht verstanden, dass das derselbe Mensch
ist. Später, nach der Operation am Knie – ein Anruf. „Da ist Mari… Mari aus
Hamburg"… „Na hallo, Mari aus Hamburg" – dachte ich damals. Weil ich weder
einen Menschen, der das Geld überwies, noch mari1261 mit Hamburg assoziierte.
Zuerst rief sie einmal pro Woche an. Ein paar Worte wechseln, meine Notizen im
Blog kommentieren… Dann immer häufiger. Marischka’s Stimme im Telefon ist ein
untrennbarer Teil des Alltags geworden – zuerst im Krankenhaus, dann auch außerhalb.
„Ich werde dich vermissen" – sagte ich ganz ehrlich bei der Abfahrt aus
Deutschland…
Gespräche per ICQ bis 3 Uhr Nachts… bis kurz nach drei…
„Ah du sch…, ich muss morgen früh zur Arbeit!" Das Gespräch dauert aber weiter.
Über alles… Und später… im September – eine Katastrophe, es geht mir schlecht,
ich muss dringend nach Deutschland. Es ist kaum möglich, einen Arzt telefonisch
zu erreichen und Dokumente zu erhalten. „Marischka, Hilfe! Ich weiß nicht,
was ich machen soll!" Und Marischka setzt sich ans Telefon, erreicht Ärzte, die
Abrechnungs-Abteilung und viele andere. Zum Schluss schaffe ich, auszureisen.
Später, schon in Deutschland habe ich eine neue Katastrophe – eine Operation am
Herzen ist notwendig… Es ist furchtbar, schmerzlich, ich kann nicht!!!
„Marischka, so kann ich nicht!!!" – es scheint schon selbstverständlich zu
sein, dass ich diese Worte nicht jemandem anderen sondern ihr, Marischka sage!
Und wieder endlose Telefonate mit der Klinik… Abstimmung
der Zeitpunkte, Summen und vieles mehr. Das machte sie alles. So, ob als sie
mehr als alle anderen bräuchte! Und – ich bin wieder in Deutschland und ihre
Stimme – wieder im Telefon. So eine heimatliche Stimme!!!
Und danach… Ein Albtraum… Es war vieles innerhalb dieser
drei Monate. Aber jeden Tag klingelte mein Telefon und dieselbe heimatliche
Stimme fragte über Nachrichten, beruhigte mich, gab eine Hoffnung, beschimpfte
mich… Und wieder Telefonate mit Kliniken… der berühmte 21. Dezember… man
schmeißt mich aus der Klinik weg… „Marischka, was soll ich machen?!" – und
Marischka ist wieder am Telefon. „Gavrysheva, was für ein Monster bist du
denn?! Mir erzählt man, dass du einfach unerträglich seist! Ein unkooperativer
Monster!" Und ich lache bis Tränen, obwohl die Situation einfach katastrophal
ist… An diesem Tag rief sie immer wieder an, bis spät abends, bis ich ins
Klinik-Zimmer kam. Und am nächsten Tag… und am übernächsten… Vor Operationen,
nach Operationen… immer war sie nebenbei. Und so warm wurde es am Herzen von
jedem Klang des Handys. Sogar wenn ich nicht sprechen konnte und Anrufe unterbrach,
wurde trotzdem am Herzen wärmer davon, dass ich Maricha habe!
Und wieder zu Hause, wieder ICQ, Gespräche kaum nicht bis
zum Morgen. Hoffnungslosigkeit…
Ende… eine sehr schwache Hoffnung… „Versuchen wir! Wir riskieren nicht!" Und Marischka setzt sich wieder ans Telefon und an den Computer, schreibt endlose Briefe an endlose Menge Kliniken, ruft endlose Menge Ärzte an. Ein
russischsprechender Arzt hat eine Vermittlerin empfohlen: „Wenden Sie sich an
Natalia, sie macht das Gleiche wie Sie, sie ist auch Dolmetscherin und
Managerin". Meine „Managerin" – seit diesem Moment wurde dieser Spitzname an
Marischka geklebt. Und ich muss ehrlich sagen: meine Managerin ist unglaublich
professionell. Manchmal bat ich sie, furchtbare Sachen zu übersetzen… Als
Freundin beschimpfte sie mich und schrie, dass sie so etwas nicht schreiben
wird… Hat aber geschrieben. Egal, was und in welcher Form ich bat.
Und jetzt – die Erklärung, warum eigentlich „Panzer". Da
nicht nur ich ein Monster bin, sondern auch Maricha nicht weniger, konnte sie
zu mir zu Gast nur an einem einzigen Tag kommen, und zwar als ein Doktor zu
einer verrückten Idee kam, dass ich eine offene Form der Tuberkulose habe,
schrecklich ansteckend sei und es nur möglich sei, mit mir durch eine Maske zu
sprechen. Wir versuchten, zu klären und zu verstehen, was für ein Quatsch
passiert. Also… als ich sah, wie kleine Marischka vor dem zwar dünnen aber
zweimetergroßen Doktor steht und deutlich bereit ist, ihn jetzt, gleich zu
beißen oder mindestens mit Raupenketten zu überfahren, habe ich verstanden,
dass ich eine absolut kühne panzerähnliche Managerin habe. Und es war lustig,
dass ein Mensch, der mich zum ersten Mal im Leben sieht und erst im letzten
Jahr über mein Existenz hörte, bereit ist, einen Arzt wegen mich zu
zerreißen. Dafür, dass er sich erlaubte, Irka zu beleidigen…
„Glückwunsch zum Geburtstag, Marischka", „ein Törtchen
per Post", „der Tisch-Aufräumer", „zwei Hoffmanns" – das sind Kode-Phrasen,
über denen wir ohne Ende lachen können. Wir sind auf der gleichen Welle, wir
sagen gleichzeitig gleiche Phrasen aus, manchmal sagen wir gar nichts und
verstehen einander wortlos.
„Es gibt Menschen, die sich einfach im Herzen siedeln", – so hat Marischka in ihrem LJ im
Bericht über unsere „Entvirtualisierung" geschrieben. Und das stimmt.
Marischka, ich freue mich dafür, dass du dich in meinem mehrmals geschnittenen
Herzen gesiedelt hast!!! Ohne dich würde dieses Herz nicht mehr schlagen!
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