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Spuren
Roma Chlud gewidmet…

So ist unsere menschliche Natur – wir wollen auf der Erde unsere Spur lassen. Auf dem Lebensweg gehend werfen wir Rückblick – ob hinter uns eine Spur bleibt, ob sie genug deutlich ist. Manchmal kehren wir zurück, um nur eine besonders glückliche Spur zu unterschreiben. Wir wollen, dass ein Gedächtnis an uns nach uns lebt… und je länger desto besser. Wie oft legen wir in unsere Kinder unsere Mühe nicht wegen Kinder selbst ein, sondern dafür, dass es noch eine unsere Spur ist! Die Spur, die auch nach vielen Jahren davon zeugen würde, dass wir auf der Erde gewesen sind! Arbeit, Schaffen… das sind nur Versuche, das Gedächtnis an uns zu verlängern. Da wir nicht immer an Unsterblichkeit der Seele glauben, wollen wir uns die Unsterblichkeit im Gedächtnis von Nachfahren schenken. Das gelingt nicht vielen, ehrlich gesagt gelingt das nur wenigen. Aber wir schmeicheln uns weiter und versuchen es, durch Wahrheit und (manchmal) Unwahrheit eine dauerhafte und deutliche Spur hinter uns zu lassen. Manchen reicht dafür das ganze Leben nicht…

Manchmal kommt die Frage: welche Spur konnten hinter sich unsere krebskranken Kinder lassen, denen es nicht bestimmt war, lange zu leben? Sind sie gestorben, ohne hinter sich etwas zu lassen? Nein!!! Manchmal schaffen diese Kinder in wenigen Monaten oder sogar Wochen für uns alle viel mehr zu tun, als Hunderte gesunde Erwachsene. Ihre Spur lebt in unseren Leben, solange wir und noch mehrere Generationen der Menschen leben. 

Ich möchte über eine einzige Spur erzählen, die ein Junge Roma Chlud aus Saporigjia gelassen hat. Am 3. Juli 2006 wurde Information über Roma bei Webseite „Donor" veröffentlicht und nach drei Tagen ist das Kind gestorben. Drei Tage – genau so viel Zeit hatten wir, um diesen Jungen kennen zu lernen. Es scheint so: was kann man in diese Zeit schaffen? Aber innerhalb dieser drei Tage hat Roma mein Leben und das von Hunderten anderer Menschen verändert. Einmal für immer verändert, und zwar zum Besseren.

Ich suchte gerade einen Job als Journalistin, als mir ein Brief von einer Redaktion kam. Das war eine Bitte, einen Artikel über Probleme der Onkohämatologie Kiews zu schreiben. An mich, an die Bewohnerin von Saporigjia hat die Redaktion irgendwie die Mail mit der Bitte um Hilfe weitergeleitet, in dem es einen Link zum „Donor" gab. Als ich diesen Auftrag bekam, hatte ich ein Gefühl, dass es ein Zeichen ist. Ein Zeichen, dass es nämlich mein Weg ist. Aber ich floh davon so lange, dass ein Rückkehr als unmöglich aussah. Drei Tage nacheinander öffnete ich die Mail, guckte auf den Link und wagte nicht, die Webseite zu öffnen. Ich wagte nicht, wieder, sogar von außen einen Blick in diese Welt zu werfen. Aber irgendeine Kraft (ich glaube, wir wissen alle, welche) zwang mich, immer wieder die Mail zu öffnen… Und eines Tages konnte ich nicht mehr widerstehen und öffnete den Link. Ich öffnete sie mit angehaltenem Atem in Erwartung, dass dieser Link mein Leben verändert… und das Erste, was ich auf der Webseite sah, war ein Foto eines traurigen braunäugigen Jungen und eine Überschrift: „Roma aus Saporigjia braucht Ihre Hilfe". Ich saß vor dem Monitor und weinte. Das, davon ich mehrere Jahre floh, war vor mir – ein Junge, der so, wie ich irgendwann, ohne Medikamente und Plättchen-Konzentrat stirb. Ich weinte, wusste aber: das ist mein Weg, den ich nie mehr vermeiden kann. An demselben Tag rief ich einen Freiwilligen aus Saporigjia Albert Pavlov an. Er erzählte mir über die Abteilung, ich hatte aber nur eine Frage im Kopf: wie geht es Roma? Ich wagte nicht, diese Frage zu stellen. Und nach drei Tagen gab es Roma nicht mehr… Und ich weinte wieder… Der Tod eines Jungen, den ich nicht kannte, tat unerträgliches Weh. Ich hatte einen einzigen Wunsch: die Webseite zu schließen, aus Lesezeichen zu entfernen und mich nie wieder an braunäugigen Roma zu erinnern. Das konnte ich aber nicht… Ich konnte nicht mehr ausgeben, dass dieses Problem nicht existiert und dass ich damit nichts zu tun habe… Ich schloss die Webseite „Donor" und schwor, dass ich sie einige Tage nicht öffne und mir in dieser Zeit alles überlege… und innerhalb dieser Tage fingen meine Finger selbst an, die Erzählung-Serie „Flucht vom Tod" zu wählen. Zum ersten Mal nach sieben Jahren konnte ich über meine Erleben, Ängste und Weh laut erzählen. Ich schrieb, ohne den Text durch Tränen zu sehen. Als alles fertig war, schickte ich Erzählungen ohne Korrektur an Albert. Einfach so… ich weiß sogar nicht, warum… Vielleicht wollte ich, dass mein Weh nicht nur dem Computer bekannt wird, sondern auch jemandem lebendigen… Am nächsten Tag wurden Erzählungen bei „Donor" veröffentlicht, und mir kam der ganze Fluss Briefe… Verschiedene Menschen schrieben, wie stark meine Erzählungen ihr Leben verändert haben. Ich glaubte daran nicht, es sah so aus, dass mein Leben so blieb, wie es war. Die Briefe kamen aber weiter, sowie Kommentare bei der Webseite… Und in einem Moment habe ich verstanden: ich bin nicht mehr so, wie vor zwei Wochen. Mein ganzes Leben hat sich gedreht, wobei nicht von Füßen auf den Kopf, sondern umgekehrt: alles ist nämlich so geworden, wie es sein sollte. Unmerklich habe ich angefangen, in die Abteilung zu kommen, die Kinder sind für mich wie verwandt geworden und mein Leben außer der Abteilung kann ich mir nicht mehr vorstellen.

Spur… Dank Roma bekam ich eine Chance, meine Spur in diesem Leben zu lassen. Schock – anders kann man nicht das Gefühl nennen, das mir jeweils kommt, wenn ich höre, dass ein Freiwilliger oder eine Freiwillige, der (die), wie ich dachte, immer bei „Donor" war, tatsächlich nach dem Lesen meiner Erzählungen kam. Ja, nämlich ein Schock – in guter Bedeutung dieses Wortes…

Jetzt, wenn Mütter unserer Kinder mir für etwas danken, denke ich jeweils, dass sie nicht mir sondern dem braunäugigen Jungen Roma danken sollten, dank dem ich da bin. Jeweils, wenn man meine Erzählungen lobt, denke ich daran, dass sie ohne Roma und seinen Tod nicht entstehen konnten. Jeweils, wenn man von meiner Arbeit begeistert ist, danke ich Roma dafür, dass er mir Heilung der Komplexe, Ängste und Weh meiner Kindheit gab. Das ganze Geld, das unsere Kinder durch mich bekamen, die ganze medizinische Ausrüstung, die wir kaufen konnten, sind auch seine Spur in diesem Leben.

Drei Tage… Die letzten drei Tage des Lebens… Ob sie etwas verändern können? Ja, sie können das! Die letzten drei Tage von Roma Chlud haben mein Leben und das von Dutzenden und Hunderten von Menschen durch mich verändert. Ich hatte keine Zeit, etwas für ihn zu tun… Er hat für mich so viel getan, ohne mich einmal zu sehen und ohne über meine Existenz zu wissen! Seine Spur in diesem Leben kostet viel mehr, als die von vielen Dichtern, Künstlern und Komponisten, von deren Werken die Menschheit viele Jahrhunderte begeistert ist. Vielleicht vergessen Leute seinen Namen und natürlich erinnert niemand an seine traurigen braunen Augen… Aber seine Spur geht durch Jahrhunderte und rettet mehrere Leben. Dieser Junge hat wenig gelebt, aber in seinem Leben und besonders in den letzten drei Tagen hat er, ohne das zu wissen, mehr für Menschen getan, als die meisten gesunden erwachsenen Menschen schaffen, in ganzem Leben zu tun…

Spuren… Sinn des Lebens… Wir können es nicht wissen, wann genau wir unsere Vorherbestimmung auf der Erde erledigen. Vielleich wäre ein Ermutigungs-Wort an einen Nachbarn teurer als Tausende der geschriebenen Gedichte oder die für Behandlung eines Kindes überwiesenen 50 Hryvnyas (ca. 5 E) viel wichtiger als dreigeschossige Villas in Kanaren.

Roma ist gestorben, ohne zu wissen, wie viel er für Menschen getan hat und welche Spur er auf der Erde ließ… Aber ich will sehr, dass wir an diesen Jungen denken und daran, wie viel er für uns tat…

Ich danke dir, Roma!
Kategorie: Verschiedenes | Hinzugefügt von: Irinka (13.03.2011) | Autor: Iryna Gavrysheva
Aufrufe: 1700 | Kommentare: 1 | Rating: 5.0/1
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